Zum Lübcke-Mord-Prozess

30. Januar 2021

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Anlässlich der Urteilsverkündung im Lübcke-Mord-Prozess fanden in Frankfurt/M. und Kassel Kundgebungen antifaschistischer Organisationen statt. Ulrich Schneider bereitete für die VVN-BdA für beide Veranstaltungen nachfolgenden Redebeitrag vor: 

Am Tag der Urteilsverkündung möchte ich noch einmal zurückblicken auf den Beginn des Prozesses. Aus unserer Perspektive als VVN-BdA war und ist das zentrale politische Problem des Prozesses seine Anlage als Verfahren gegen „Einzeltäter“. Die Anklage gegen Stephan Ernst und Markus Hartmann blendete von Anfang an deren politisches Umfeld sowie die „Karriere“ der Täter im Netzwerk der extremen Rechten in Nordhessen aus. Das Gericht selber sorgte gemeinsam mit der Bundesanwaltschaft dafür, dass nicht der Hauch einer „terroristischen Vereinigung“ übrig blieb – ein Verfahren gegen den Waffenhändler wurde abgetrennt, ein weiterer Zeuge, der sich etwas „verplapperte“, wurde ermahnt, nicht mehr von seinen Kontakten zu Ernst zu berichten, damit nicht der Anschein einer Gruppe entstehe. 

Dabei konnten wir schon im Frühjahr 2020 – ohne den Apparat der Generalbundesanwaltschaft, des BKA und anderer Sicherheitsdienste und ihrer geheimdienstlichen Kenntnisse – nachweisen, dass Ernst und Hartmann seit vielen Jahren Teil eines umfassenderen extrem rechten Netzwerkes in Nordhessen waren. Dieses Netz reicht von der AfD bis zu dem gewalttätigen Kräften des – mittlerweile verbotenen – „Sturm 18“. Anders als der hessische Verfassungsschutz glauben machen wollte, waren Ernst und Hartmann nie „abgekühlt“, sondern tatsächlich Jahrzehnte und zum Zeitpunkt der Tat darin aktiv eingebunden.

Diese Zusammenhänge seitens des Gerichtes im Verfahren auszublenden, bedeutet, die Angeklagten aus den sie politisch prägenden Zusammenhängen herauszulösen. Schon die Freilassung von Markus Hartmann aus der Untersuchungshaft vermittelte Ende letzten Jahres den Eindruck, als wolle das Gericht tatsächlich diese „Einzeltäter-These“ zur Richtschnur seines Urteils machen. Damit kann nicht sichtbar werden, welche Dimension dieses neofaschistische Verbrechen tatsächlich besitzt.

Vor einigen Monaten hat nun der Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag seine Arbeit aufgenommen. Verschiedene Beweisanträge der Partei Die LINKE zielen genau auf die Aufarbeitung dieser neofaschistischen Netzwerke in Nordhessen und darüber hinaus.

Aber diese Zusammenhänge hätten aus unserer Sicht eigentlich Teil des juristischen Verfahrens sein müssen, denn nur dann kann man die Täter und die Tat selber angemessen einordnen, beurteilen und verurteilen. Aber das haben das Gericht und die Bundesanwaltschaft nicht angestrebt.

Auch wenn seit heute morgen bekannt ist, dass Stephan Ernst wegen Mordes verurteilt ist, möchte ich doch noch eine Bemerkung zur Verteidigungsstrategie von Stephan Ernst machen. Sein Verteidiger versuchte in vollem Wissen um die Tat, die Aussagen von Ernst und die Beweismittel, den Mordvorwurf zurückzuweisen, und auf „Todschlag“ zu plädieren, da – so seine Behauptung – Dr. Lübcke angesichts der Pistole nicht „arglos“ gewesen sein könne.

Ein solcher Versuch mag natürlich das gute Recht eines Verteidigers sein. Ihm dürfte dabei jedoch entgangen sein, dass seine Argumentation in peinlicher Weise Analogien aufweist zu einem anderen Justizskandal im Zusammenhang mit einem faschistischen Verbrechen, nämlich der Ermordung von Ernst Thälmann im KZ Buchenwald im August 1944.

Nachdem sich nämlich bundesdeutsche Gerichte bis in die 70er Jahre gesträubt hatten, überhaupt ein Verfahren gegen den Thälmann-Mörder Wolfgang Otto einzuleiten, kam es Mitte der 80er Jahre tatsächlich – auf Grund der nicht bestreitbaren Beweise – zu einer Verurteilung von Otto. Sein Verteidiger legte damals beim Bundesgerichtshof Revision ein und argumentierte, man könne Wolfgang Otto nur wegen „Todschlags“ verurteilen – und nun die tatsächlich wortgleiche Begründung zum Lübcke-Prozess – da Ernst Thälmann, als er nach Buchenwald gebracht wurde, nicht „arglos“ gewesen sein konnte, was sein Schicksal betrifft. Damit sei das Kriterium der „Heimtücke“ nicht erfüllt, also auch kein Mord. Der BGH folgte übrigens dieser Argumentation und kassierte die Verurteilung wegen Mord und entließ Wolfgang Otto in Freiheit, weil Todschlag in diesem Falle bereits 1964 verjährt war. Das Nicht-Handeln der bundesdeutschen Justiz führte damit zu einem faktischen Freispruch des Thälmann-Mörders. Damals ein rechtspolitischer Skandal!

Wir können als Konsequenz aus diesen Erfahrungen als VVN-BdA nur an alle verantwortungsbewussten Richter und Staatsanwälte appellieren, dafür einzutreten, dass es nie wieder möglich wird, mit juristischen Spitzfindigkeiten die tatsächlichen Verantwortlichen und das Netzwerk der Mittäter faschistischer Gewalt ihrer angemessen Bestrafung zu entziehen.

Silvia Gingold, die den Beitrag in Kassel verlesen hat, ergänzte:

Ich möchte noch einige persönliche Worte hinzufügen: Meine Tante Dora und mein Onkel Leo wurden grausam in den Gaskammern von Auschwitz ermordet, meine Eltern riskierten ihr Leben im Widerstand gegen die Nazis. Ich selbst stehe heute u.a. wegen meines antifaschistischen Engagements in der VVN unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Und ich bin nicht vom Bildschirm des VS verschwunden, nicht „abgekühlt“ wie Stephan Ernst. Der VVN wurde die Gemeinnützigkeit entzogen, weil sie im Visier des VS ist. Was aber gibt es Gemeinnützigeres als sich gegen demokratiefeindliche und rassistische Hetze zu wehren, die in Gewalt gegen Menschen anderer Ethnien oder Religionen enden kann, wie die Terroranschläge in Hanau und Halle und der Mord an Walter Lübcke in erschütternder Weise zeigen.

Esther Bejarano, Auschwitz-Überlebende und Ehrenvorsitzende der VVN sagt dazu: „Das Haus brennt und sie sperren die Feuerwehr aus“

Und Bertolt Brecht mahnte: „Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz“. Gegen das Vergessen, dafür stehen wir hier.

Kundgebung der Offenbacher Friedensinitiative gegen die Erhöhung des Militäretats

6. Dezember 2020

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Die Offenbacher Friedensinitiative (OFI) hatte für den 5. Dezember zu einer Kundgebung auf der Hafentreppe am Main aufgerufen. 

Dabei waren neben der OFI Rednerinnen und Redner der Gewerkschaften ver.di und GEW, dem Stadtschüler*innenrat, der Partei die LINKE und Fridays for Future. Sieben weitere Gruppen und Organisationen – unter anderem die VVN-BdA – hatten zusammen zu der Protestaktion aufgerufen, die zwei Tage vor der Bundeshaushaltsdebatte über den „Verteidigungs“-Haushalt stattfand. Dieser soll um 2,6 % erhöht werden, und die Reden haben sich hauptsächlich damit befasst, dass das Geld nicht für das Militär, sondern für die Menschen gebraucht wird. 

„Damit nicht alles baden geht“ war das Motto der Kundgebung, und es gingen tatsächlich vier Schülerinnen mit ihren Gummistiefeln ins Wasser, wobei sie die Schilder „Bildung, Wohnen, Umwelt und Gesundheit“ hochhielten. Das Erstaunlichste geschah zum Schluss: Die freie Musikerin Heike Städter ging auf einem Horn blasend ins Wasser und zwar vollständig. Ihr Kommentar: „Die Kultur geht immer als erstes baden …“

Barbara Leissing

(Bild 1: Alles geht baden)

Kundgebung am 5.12.2020 der Offenbacher Friedensinitiative (OFI) mit Beteiligung vieler Gruppen gegen die geplante Rüstungshaushaltserhöhung. Stattdessen hätte die Sozial- und Kulturpolitik eine Erhöhung bitter nötig.

Foto: Manfred Rößmann

(Bild 2: Alles geht baden )

Kundgebung der OFI am 5.12.20: vier Schülerinnen gingen in Gummistiefeln ins Wasser und hielten die Schilder „Bildung, Wohnen, Umwelt und Gesundheit“ hoch. Foto: Manfred Rößmann

(Bild 2: Die Kultur geht baden)

Kundgebung der OFI am 5.12.20: Die Musikerin Heike Städter blies in ihr Horn und stieg dabei ins Wasser. „Die Kultur geht immer als erstes baden …“

Foto: Manfred Rößmann

Rassismus tötet Kundgebung 13.07.2020 Rathaus OF

9. Juli 2020

Ostermontag-Aktion am Gefallenendenkmal

13. April 2020

(Die Aktion fand unter Einschränkung der Teilnehmeranzahl durch die Corona-Auflagen statt.)

Wahlkampf

11. März 2020

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